Neumarkt

Ich versuche ja immer sehr zurückhaltend zu fotografieren, auf dem Trödel „Lifestyle-Markt“ hat mich nun doch jemand zurechtgewiesen: „Normalerweise fragt man, wenn man fotografiert!“ Was nicht stimmt, normalerweise frage ich nie. „Aber wir sind hier in der Öffentlichkeit“, antwortete ich. Sie: „Das ist aber MEIN Eigentum!“ „Wenn Sie IHR Eigentum in die Öffentlichkeit stellen, müssen Sie damit rechnen, daß man es sieht und fotografiert“, widersprach ich – nicht, sondern schwieg einfach, denn ich wollte auf keinen Fall eine Eskalation. Außerdem meinte sie ja eigentlich folgendes: „Ich bin heute mitten in der Nacht aufgestanden, habe in aller Früh den Stand aufgebaut und für teuer Geld gemietet, hocke hier schon seit Stunden bei ein paar Grad über Null und friere mir den Arsch ab, kaum Besucher, kein Schwein kauft was, und da kommst du kleiner Wichser und verwandelst meine sorgsam polierten Waren mit deinem Apparat in Fotomotive?! Und was habe ich davon?!“ Und vielleicht hätte ich geantwortet: „Der Warenwert entfremdet den Menschen sowieso von den Produkten seiner Arbeit und seiner Kreativität, er hat Fetischcharakter …“ – dann hätte sie das Bild (unten) nach mir geworfen und mir hinterhergeschrien, solche Sauereien bräuchte sie sich nicht auch noch unterstellen zu lassen usw. Gut, daß ich rechtzeitig meinen Mund gehalten habe.

Tatsächlich hatte ich es genau auf dieses Bild abgesehen, eine Dame vor einem Spiegel.

Retro-Stil ist total in. Ich blättere auch gern in Abbildungen alter Stiche von Kölner Vorkriegansichten, oder Postkarten aus den Anfangszeiten der Fotografie.

Da sieht man mich sitzen, wie ich ganz vertieft bin … okay, geschwindelt, daß ist ein Händler, der wahrscheinlich prüft, ob was von Wert dabei ist.

Und wertvoll kann alles sein: Wer geschickt ist, bastelt da wieder Körper dran, und schon hat man zwei echte neu-alte Puppen. Was man dann damit macht? Keine Ahnung. Sammeln?

0 Gedanken zu “Neumarkt

  1. was hat denn das bild gekostet? und: solcherlei sachen sind zum raus-schreien, nicht verschweigen. was hätte ich gefeiert, daneben zu stehen, wenn du der dame tatsächlich diesen monolog geboten hättest. schade. wieder zur falschen zeit am falschen ort….

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  2. Das Bild mit der Frau im Spiegel und dem erkennbaren Totenkopf ist großartig. Ich hätte es gekauft. Wie teuer es wohl war, das Fetischobjekt? Schön festgestellt: „Der Warenwert entfremdet den Menschen sowieso von den Produkten seiner Arbeit und seiner Kreativität, er hat Fetischcharakter …“ Von wem kommt das Zitat. Karl Marx?;O)

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  3. So ähnlich erging es mir im vergangenen Jahr auf dem „Schwabinger Weihnachts-Kunstmarkt“. Die Aussage der Standbesitzer gipfelte in der Befürchtung, ich könne ein Spion der Chinesen sein, die ja bekanntlich alles kopieren, was ihnen in die Finger kommt. Da musste nicht nur ich herzhaft lachen; auch die Umstehenden hatten ihr Vergnügen. :))

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  4. Das mit dem Fotografieren ist tricky. Ich bin auch mehrfach schon angepupt worden, immer sehr bitterböse. Dabei möchte ich immer sagen:
    Wenn du meinen Fotostream sehen könntest und wie sorgsam ich das alles einstelle, dann…aber naja. Wie auch du, halte ich meinen Mund, denn es bringt nix.
    Ich hab aber auch schon gesagt: „Ich besitze einen internationalen Artblog und möchte dein tolles Objekt, deine schöne Ware unbedingt drin haben!“ Dann sind die Leute still. Meistens.

    Mit dem genialen Totenkopfbild beworfen werden, ist nicht so ganz schlecht. Wenn man es denn dann noch schnell knipsen darf.
    Die Puppenköpfe wären herrlich für sogenannte altered art.

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  5. ..das Bild ist klasse…

    …das Foto mit dem in seinen Betrachtungen vertieften Mann neben der in die Höhe schauenden Frauenbüste aber auch…

    …und die Puppenköpfe schauen traurig, sie stehen sicher im Konflikt, gekauft und somit getrennt zu werden oder körperlos zu bleiben…

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  6. ich hatte auch schon oft „dieses problem“ wenn ich einfach drauflos fotografiere, dass mich dann jmd frech anmäkelte, weil ich was in einer geschäftsauslage knipste, was mir gefiel…
    es ist fast so wie in afrika, wenn du jmd aufnimmst und ihm dann damit die seele wegnimmst, then you better hurry!

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  7. Ja, nicht wahr? Sie hatte es in mehreren Versionen (auch als Lampenschirm) und Größen da. Ich vermute, es ist die Kopie eines Originals aus dem 19. Jahrhundert, vielleicht sollte man mal danach suchen.
    Gut erkannt! Marx natürlich, aber kein Originalzitat. 😉

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  8. Lustig! Du hättest erwidern sollen, daß Du nicht für die Chinesen spionierst, sondern zur Kontrollgruppe der Werkstätten des Weihnachtsmanns gehörst. Auf die Angestellten ich ja heute kein Verlaß mehr. 😉

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  9. Vielleicht sollte ich immer eine Visitenkarte griffbereit haben und die Frage stellen, ob ich den Namen nennen soll.

    Ich frage mich, woher sie das Bild hat. Ich glaube nicht, daß das Originale waren.

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  10. die übersetzung könnte sogar noch schnörkelloser ausfallen, in form von „ich hab schlechte laune, hau ab“. meistens sind es ja doch ganz einfache botschaften, die in den verschiedensten verkleidungen über die lippen kommen

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  11. Genau. Und eigentlich hätte ich sie fragen müssen: „Wo haben Sie das Bild geklaut? Ach, eigenhändig am Kopierer auf den Knopf gedrückt? Respekt!“ Aber die Leute verstehen ja heute keinen Spaß mehr.

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