Schildergasse

Manchmal stelle ich mir vor, Deutschland hätte keinen 2. Weltkrieg vom Zaun gebrochen, dann wäre die Innenstadt ein riesiges geschlossenes Gebiet mit mittelalterlicher, Gründerzeit und Jugendstilarchitektur … oder auch nicht: Die Architekturmoden wechseln auch ohne direkten Anlaß. Nach dem 2. WK hat es in der Kölner Neustadt noch verhältnismaßig viele Häuser im Stil des Historismus gegeben. Dieser Stil war eine europaweite Entwicklung im 19. Jahrhundert: Man besann sich der gestalterischen Qualitäten der alten Architekturstile Romanik, Gotik, Renaissance und Barock und ließ sie zum Teil in fast reiner Form wieder aufleben (besonders bei Kirchen) oder vermischte einzelne Elemente, um dem wohlhabenden Bürgertum eine ästhetisch aussagekräftige und repräsentative Wohnarchitektur zu schaffen, die auch den Stolz auf die eigene nationale Geschichte zum Ausdruck bringen sollte. Schon nach dem 1., besonders aber nach dem 2. WK wollte man in Deutschland von Geschichtsstolz nicht mehr viel wissen und wandte sich einer – ökonomisch sowieso ertragreicheren – moderneren Architektur zu. In Köln ging man sogar so weit, den Hausbesitzern ein Prämie für das Abschlagen der historistischen Verzierungen zu zahlen – aus heutiger Sicht ein unglaublicher Frevel, den glücklicherweise nicht alle mitgemacht haben.

0 Gedanken zu “Schildergasse

  1. Von wo aus hast du eigentlich das Foto gemacht?

    Alle deutschen Innenstädte sehen ja mittlerweile fast gleich aus. Irgendwie traurig.
    Außer in Bayern, da ist das ein wenig anders. Ich hab wirklich gestaunt, als ich vor 2 Jahren mal dort war.

    Ich weiß auch nicht, ich kann Köln einfach nichts abgewinnen. Es gibt fast kein Bild auf deinem Blog, das mir Lust macht, dort zu leben. Aber vielleicht liegt es auch an deiner kritischen (gleichwohl sehr wichtigen!!!) Berichterstattung!
    Und dann der Gedanke an den Dialekt und Karneval…uargx…
    Ich sollte mal wieder nach Hamburg fahren, die Stadt hat doch was. Warum tu ich das eigentlich nie? Gelegenheit hab ich andauernd. Aber Städte schaffen mich mittlerweile.

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  2. Halb instinktiv versuche ich natürlich, Postkartenstimmung zu vermeiden, daher entsteht vielleicht der Eindruck einer eher nicht liebenswerten Stadt. Tatsächlich lebe ich aber sehr gerne hier, wenn ich das nicht täte, würde ich wahrscheinlich nicht so viel schimpfen. 😉
    Dazu kommt: „Stadträume muß man er-leben, nicht nur sehen“, hat der von mir verehrte Stadtführer Boris Sieverts neulich in einer Doku gesagt. Da hat er ganz recht, Fotos können nur andeuten, was in einer Stadt los ist. Einige Ecken würden Dir bestimmt gefallen, aber der Vekehr, die Menschenmassen, die Enge bestimmt nicht, das ist mit Deinem Landleben nicht zu vergleichen. Man müßte beides haben (ich wiederhole mich, oder?) – eine Wohnung in der Stadt, und wenn man die Faxen dicke hat, flüchtet man in sein Häuschen an der Küste.

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  3. Vergiß nicht, ich habe jahrelang am NR gewohnt und war öfter in K, allerdings zuletzt Ende der 90er.
    Und ich hab mich da nie wohlgefühlt, in D’dorf auch nicht.
    Aber deinen Blog lese ich immer gerne. Auch wegen der schönen crazy Details.
    Was wohl allen Städten gleich ist und was mir hier fehlt, ist Alternativkultur, Freaks, witzige Events, die Möglichkeit aus dem vollen zu schöpfen was Collagenmaterial angeht, allein die Flyer oder so ein Heft wie „Tip“ (Berlin), das ist unglaubliches Material!

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  4. …die sogenannte moderne Architektur ist mir zu kalt, ich mag die alten Bauten lieber…diese dürfen sogar etwas heruntergekommen sein, man sollte ihnen jedenfalls das Alter ein bisschen ansehen…dann sehen sie wie alte Menschen, die gelebt haben, aus und vermitteln durch ihre Patina Geschichte…zwischen solchen Häusern fühle ich mich wohl…das macht es wohl auch, dass ich Perpignan liebe, eine schrecklich hässliche Stadt…aber ziemlich authentisch liebenswert…

    …Berlin habe ich auch geliebt…aber da war ich nun schon fast neun Jahre nicht mehr…

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  5. die stadt
    in der ich lebe
    ist innendrin
    komplett
    mittelalterlich
    die stadt
    in der ich arbeite
    das gegenteil:
    stgt ging es eben genau so
    wie köln…
    MANCHMAL ist aber auch moderne
    architektur schööön 🙂

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  6. Moderne Architektur unterliegt ja leider meistens dem Diktat der Ökonomie: Billig soll es sein und zweckmäßig, und so sieht das dann auch aus: Klotzige, schmucklose Bauten ohne Charakter.

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