Wanderung Eggeweg, 3. Etappe

Nach Aachen sind es 220 Kilometer. Da laufen wir jetzt aber nicht hin. Die heutige Etappe ist 27 Kilometer lang, aber wir sind guten Mutes, das Wetter ist freundlich.

Brutale Natur! Was lernen wir daraus? „Meide Fichten“? Das geht wohl kaum, und die, an denen wir vorbeikommen, machen auch einen harmlosen Eindruck.

Aber die Natur ist unberechenbar und bringt rätselhafte, aber schöne Formen hervor.

Das ist ein Schnatstein. „Schnat“ heißt Grenze. Nach den Wirren des 30jährigen Krieges wollte man ein bißchen Ordnung in die Gebietslage bringen. So handelten das Fürstbistum Paderborn und das benachbarte Fürstentum Lippe 1658 einen Grenzverlauf aus, und um zukünftig nicht darüber in Streit zu geraten, setzten sie insgesamt 90 durchnummerierte Schnatsteine, die jeweils mit der lippischen Rose und auf der anderen Seite mit dem Paderborner Kreuz gekennzeichnet sind. Und da diese Steine natürlich hervorragende Orientierungspunkte bildeten, entstanden zwischen ihnen automatisch vielbegangene Wege.

Na typisch! Das kann ja nur ein Städter sein – läuft bei strahlendem Sonnenschein mit offenem Schirm durch die Gegend und macht sich komplett lächerlich! Das ist natürlich Quatsch. Erstens bin ich das, der da läuft, zweitens lachen hier höchstens die Waldtiere, denn auf der gesamten Etappe begegnen uns nur zwei Menschen, und drittens ist mir jedes Gelächter darüber Wurscht: Die Sonne brennt einem manchmal so heiß auf den Kopf, da rechtfertigt ein Schutz vor Sonnenstich fast alles.

Dieser Turm wird „Bierbaums Nagel“ genannt. Julius Bierbaum, Bankier und Gutsbesitzer, wollte 1849 nicht nur der armen Bevölkerung eine Gelegenheit verschaffen, etwas Geld zu verdienen (so heißt es jedenfalls), sondern auch seiner unter Heimweh leidenden Ehefrau die Gelegenheit geben, ihre Heimatstadt Kassel wenigstens aus der Ferne betrachten zu können. Ob das das Heimweh gemildert hat, bleibt freilich ungewiß.

Es ist warm, und wir sind platt. 25 Kilometer sind wir schon gelaufen, nun müssen wir noch durch die Stadtwüstung Blankenrode. „Wüstung“ nennt man ein Gebiet, das einmal besiedelt war, später aber als Siedlungsort aufgegeben wurde. Hier müßte man allerdings von Verwüstung reden: Bis 1390 lebten hier 1000 Menschen, die einer Fehde zwischen feindlichen Fürsten zum Opfer fielen: Alle Bewohner wurden niedergemetzelt und die Stadt vollständig zerstört. Zwischen den Bäumen kann man noch Mauerreste erkennen, und den sogenannten Jungfernbrunnen hat man auch gepflegt: Als die Tochter des Bürgermeisters vor den marodierenden Horden flüchtete, so die Sage, konnte sie ihre Jungfernschaft nur durch einen Sprung in den Brunnen retten – in dem sie dann ertrank. Unglück im Unglück.

Endlich! Geschafft – in jeder Beziehung. Häuser in einer überschaubaren Anzahl für ca. 160 Einwohner, da ist das Hotel nicht schwer zu finden. Das angeschlossene Café hat zwar heute Ruhetag, trotzdem bietet uns unsere Gastgeberin als erstes etwas zu essen an: „Sie können wählen zwischen Schweinemedaillons mit Röstis, überbackenen Schweinemedaillons mit Röstis oder Schnitzel mit Spiegelei.“ Letzeres scheint eine Spezialität der Gegend zu sein, das habe ich auch schon mal auf einer Speisekarte gesehen. Tja, fremde Sitten. Nach einigem diplomatischen Hin und Her bekommen wir jeder einen riesigen Salatteller mit Bratkartoffeln. Sehr lecker!

Teil 6.

0 Gedanken zu “Wanderung Eggeweg, 3. Etappe

  1. Immer, wenn ich mal geschwächelt habe, mußte ich daran denken, daß Du die Strecke von 70 Kilometern an einem Tag geschafft hast (die nach Trier). Gut, natürlich mit dem Rad, aber trotzdem … 🙂

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  2. danke für die schönen fotos.
    wenn ich mir überlege was frauen früher auszuhalten hatten.
    man bedenke die tochter des bürgermeisters, die wegen ihrer jungfräulichkeit ertrank.
    vergewaltiger scheint es schon sehr lange zu geben.

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  3. Ist das schön! So eine Tour möchte ich auch mal machen. Kann man die Tour irgendwie bei einem Anbieter durchbuchen oder habt Ihr das einzeln, direkt im Hotel, gebucht? Seid Ihr mit einem GPS Gerät unterwegs gewesen oder wie verhindert man das Verlaufen?

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  4. Es gibt verschiedene Anbieter, wir haben bei diesem gebucht und sind sehr zufrieden:

    http://www.erlebniswelt-wandern.de/eggeweg.html

    Auf der Homepage findet man ähnliche Angebote auch für andere Gegenden, die man, wie ich gehört habe, auch noch individuell anpassen kann.
    Ein GPS-Gerät braucht man nicht, man bekommt voher eine sehr detaillierte Karte vom Veranstalter, und auf dem Weg sind Hunderte von Zeichen an Bäume und Steine gemalt, an denen man sich orientieren kann. Selbst wenn man mal eins übersieht, merkt man das ziemlich schnell, weil nämlich keine mehr kommen – dann muß man ein kleines Stück zurück gehen. Aber wir haben uns nicht einmal verlaufen.

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  5. Vielen Dank für den Linktipp! Die haben ja ein großartiges Angebot. Ich hätte gar nicht gedacht, dass es solche Angebot gibt. Das passt perfekt, da ich nicht viel Zeit in die Planung investieren will. Übrigens gefällt mir Dein Blog richtig gut! Du bist viel unterwegs, schön, wenn andere davon provitieren können.

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  6. Herrliche Bilder! Es gibt kaum was Schöneres als die Natur! Tolle Momente haben Sie auch festgehalten – wie etwa die Person (ein Mann?) mit dem Regenschirm im Schatten des Waldes spazierend… no comment… 😉

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  7. Gib zu, den roten Schirm hast du nur aufgespannt, um einen schönen Komplementärkontrast im Foto zu haben. Kann es sein, dass der Wanderweg hier die Kaiserroute von Aachen nach Paderborn streift? Dieser Radfernweg ist nämlich auch benannt nach Karl, dem Sachsenschlächter, und ich bin die Kaiserroute schon gefahren. Jedenfalls schöne Gegend mit schauriger Vergangenheit.

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  8. Erwischt! 😉 Tatsächlich habe ich den Schirm im Wald sonst zusammengeklappt und nur auf dem freien Feld aufgespannt – die Fluginsekten hielten mich für eine riesige wandelnde Blüte.
    Du hast Recht, die Kaiserroute verläuft etwas weiter westlich, aber ganz in der Nähe. Reisen bildet: Ich wuße vorher gar nicht, daß Karl der große Schlächter war. Kein Wunder, daß Hitler ihn bewundert hat.

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