Heinrich-Böll-Platz

Der Heinrich-Böll-Platz, zentral gelegen zwischen Dom, Hauptbahnhof, Museum Ludwig, Hohenzollernbrücke und Rhein, hat ein merkwürdiges Schicksal: Man darf ihn oft nicht betreten, besonders nicht dann, wenn viele Spaziergänger unterwegs sind, also am Wochenende. Denn der Platz ist die andere Seite …

… der Decke der Philharmonie. Ein typischer Fall von Fehlplanung, möchte ich behaupten.

Das Ganze muß natürlich kontrolliert werden: Ringsum stehen diese Schilder und sechs Aufpasser, die einen mit bösem Blick zurückpfeifen, wenn man auch nur einen falschen Tritt macht.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß der Tunnel der neue Ubahn, die kein Mensch braucht und deren Bau höchstwahrscheinlich das Stadtarchiv zum Einsturz brachte, zwei Meter unter dem Konzertsaal entlangführt. In Zahlen: 200 Zentimeter! Es ist nicht ganz abwegig, daß während der Aufführungen keine Bahnen fahren dürfen, wenn die Dämmung nicht ausreichend ist. Na bravo! Glück im Unglück: Durch den Pfusch am Bau des Abschnitts am früheren Historischen Archiv verzögert sich die Fertigstellung voraussichtlich bis 2018. Bis dahin braucht man also weiterhin nur auf der einen Seite abzusperren und kann in Ruhe Konzerte hören.

0 Gedanken zu “Heinrich-Böll-Platz

  1. Man müßte vielleicht ein Musikstück schreiben, in dem die Geräusche einer vorbeifahrenden Ubahn ‚erklingen‘ (in einem Ballett von Erik Satie kommt z.B. das Geräusch einer klappernden Schreibmaschine vor), das könnte man dann wunderbar miteinander kombinieren und wäre außerdem ein Anreiz für die Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe, immer schön im vorgegebenen Takt zu fahren – ein nicht zu unterschätzender Synergie-Effekt zum Vorteil für die Ubahngäste und Konzertbesucher.

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  2. Der Platz ist eigentlich ein Denkmal für Dummheit, und daß Heinrich Böll damit in Verbindung gebracht wird, ist nur ein leicht durchschaubares Ablenkungsmanöver. Wenn es mit der Ubahn auch noch so weit kommt wie befürchtet, dann wird das ganze Gebäude zu einer Dummheitsskulptur.

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  3. Nachtrag: Je länger man darüber nachdenkt, desto genialer ist die Idee: Konzert für Violoncello und Fußgänger.
    Experimente: Was ist, wenn Leute einfach nur über den Platz gehen? Wenn sie im Gleichschritt über den Platz gehen? Was wenn getanzt wird? Was, wenn Skater da ihre Halfpipe aufbauen?
    Man muß aus der Not eine Tugend machen.

    Ich habe mal ein wunderbares Stück gebastelt, die Londoner U-Bahn und immer wenn sie hält, hört man neben „Mind the gap“ und „stand clear of the closing doors“ die Gespräche der Menschen und dazwischen Brian Eno, Fragmente aus einer Doku.
    Leider existiert das Stück nur noch analog auf 8 Spuren bzw. auf MD, eine Technik, die sich nicht durchsetzte.

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  4. Die Philharmonie wird Aufführungsstätte ausschließlich für neue Musik, die die beiden Soundquellen Füßgängergetrappel und Ubahngeräusche integrieren – genial! Bach und Beethoven muß man sich woanders anhören.

    MD ist doch auch digital, oder? Das muß man doch umwandeln können.

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  5. MD fand ich persönlich eine der besten Erfindungen der 90er Jahre: die Dinger waren nicht teuer, man brauchte keinen PC, sie waren beliebig überspielbar und boten gute Qualität. Warum haben sie sich nicht durchgesetzt? Ich weiß es nicht, echt nicht. Vielleicht weil eben kurz danach die DVD alles verdrängte.

    Eigentlich müßte das gehen. Mit irgendeinem entsprechenden Programm. Aber ich bin da technisch nicht so versiert.

    Mann du hast mich jetzt aber echt inspiriert. Sehe mir gerade Steve Reich Dokus auf U Tube an (nebenbei male ich noch), das ist so was von thrilling für mich. Ich bin ja irgendwie mit all dem „aufgewachsen“, Fripp, Eno, Reich, Glass, Stockhausen, Can, all diese experimentelle Musik hat mich total beeinflußt, damals ich selber anfing mit mehreren Spuren zu arbeiten. unglaublich, wie schwierig das damals (Ende der 80er) noch war.
    Ich müßte da eigentlich noch mal gesondert drüber bloggen. Interessiert natürlich keine Sau. Aber so was wie Enos „Music for airports“ alleine, das zog mir die Schuhe aus.
    Ich habe es schon immer geliebt, Collagen aus Sounds zu machen. Loops zu machen, genau hinzuhören. Dann kam eine Zeit, da hab ich das alles nicht mehr gehört. Aber wenn ich die Reich-Dokus sehe, dann bin ich da sofort wieder drin.

    Und wenn man bedenkt, wer alles von Stockhausen z.B. beeinflußt wurde: Björk, Can, David Sylvian, Brian Eno usw..
    Und mir fiel immer auf, daß Menschen, die dieser Musik zugetan waren, oft auch die interessanten Gesprächspartner waren.

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  6. Es ist wohl nicht so einfach, MDs auf einen PC zu überspielen. Sony-Technik, die zwar gut ist, aber Sony betreibt eine ähnlich rigide Geschäftspolitik wie Microsoft, Sperren wo es nur geht.

    Und ganz ähnlich ist es auch inzwischen mit Youtube: Gerade habe ich Steve Reich hochgeladen, da bekomme ich die Meldung: Für Germany gesperrt, wie auch einige meiner anderen Videos. Schöner Mist.

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  7. Betreten ist gut ;). Wahrscheinlich hätte er eine spöttische Satire geschrieben über Bildungsbürgertum, das mit seinem Bedürfnis, in schicken Kleidern weltweit anerkannten Geigern zuzuhören, den Verkehr zum Erlahmen bringen.

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  8. Als ich vor einigen Jahren oft in Köln war, bin ich auf dem Weg zur Uferpromenade oft von den Aufpassern zurückgepfiffen wollte, wenn mein schwerer Schritt die Decke zum Einsturz zu bringen drohte. Da dachte ich schon, in Köln baut man für die Ewigkeit. Ein Wunder, dass der Dom noch steht.

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  9. Ich bin sicher, es hätte ihn amüsiert, ist das doch ein gelungenes Beispiel dafür, wie man provinzielle Denkungsart auf großstädtisches Niveau übertragen kann. Und das ist keine Ausnahme, sondern hat System und wird sorgfältig gepflegt. 🙂

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  10. In Köln gibt es nur ein einziges Gebäude für die Ewigkeit, alles andere ist Verhandlungssache … und das geht auch gar nicht anders, denke nur an die vielen Baufirmen, die Geld verdienen wollen, Arbeitsplätze sind in Gefahr, wenn man nicht jederzeit alles einreißen, umbauen und wiederaufbauen kann. Und das macht man deshalb auch nach Kräften. Die Philharmonie spart man sich vermutlich auf als besonderes Bonbon und reibt sich hinterm Rücken schon mal die Hände.

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  11. …ich nehme bei näherem Hineinfühlen an, er hätte solch einen Platz zu seiner Ehrung irgendwie passend gefunden…

    ein völlig normaler, gewöhnlicher, vielleicht schöner und durchschnittlicher Platz hätte ihm nicht so gut gefallen…hier aber, kann er sich verstanden fühlen und vielleicht seine zwangsläufige Abwesenheit, die ihm nun keine sprachliche Umsetzung mehr erlaubt, bedauern…

    wie weise doch auch die Ahnungslosen handeln können…

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  12. Ich bestaune immer wieder gern, wie dieses „Personal“ seine Arbeit verrichtet. Allerdings liegt der Grund für das „zurückpfeifen“ auf der Hand: Die Herrn sprechen tatsächlich kaum Deutsch. Ich wollte mich einmal mit ihnen unterhalten, ging nicht…

    Die U-Bahn macht doch keinen Lärm 😉

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