Heilige Corona, hilf!

Die Lage ist ernst, aber das heißt ja nicht, daß man nicht mal einen Spaß machen darf. Es kann nicht mehr lange dauern, bis sich zumindest die Situation auf dem Klopapiermarkt soweit beruhigt hat, daß ich welches kaufen kann, einfach, weil ich mal wieder welches brauche. Die Amerikaner kaufen kein Klopapier, sondern vermehrt Waffen. Was wollen sie damit, die Viren erschießen? Mit Jagdgewehren? Ob nun Infizierter oder nicht, man sollte sich in den USA dieser Tage das Hüsteln in der Öffentlichkeit besser verkneifen.

So sah es noch letzten Sonntag in den Parks aus: Obwohl von allen Experten und Politikern dringend abgeraten, trafen die Leute sich zum Grillen, Saufen und Fußballspielen in den Parks, das Wetter war einfach zu schön. Heute Nachmittag, auch bei sehr schönem Wetter, sah das schon anders aus, mehr als drei Leute in einer Gruppe habe ich nicht gesehen. So langsam scheint es durchzusickern, wie gefährlich das sein kann.

Nicht nur ich, der ich gern im Park spazierengehe (mit gebührendem Abstand zu allen anderen natürlich), würde es vorziehen, wenn es nicht zu einer Ausgangssperre kommt, auch für die Gastronomie ist es sehr wichtig: Immer mehr Restaurants stellen sich auf „Take-Away“ ein. Das war zwar bei den meisten vorher auch schon möglich, aber es wurde nicht extra beworben, und nun ist es die einzige Möglichkeit, überhaupt etwas Umsatz zu machen. Stellt sich die Frage: Kann man sicher sein, daß der Koch kein Dampfplauderer mit einer feuchten Aussprache ist? Die selbe Frage stellt sich übrigens schon, wenn man morgens frische Brötchen kauft: Hat die Bäckereifachangestellte zwar brav in die Armbeuge geniest, allerdings zu dem Zeitpunkt, als sie gerade über dem frisch aus dem Ofen gehobenen Backblech hing? Nein, kann man nicht. Ich mache folgendes: Alles, was ich von außen hole, stecke ich vor Verzehr für zehn Minuten in den 100 Grad heißen Backofen – ich hoffe, daß das im Falle einer Kontamination hilft, auf jeden Fall beruhigt es mich.

Um 21.00 Uhr wird in meiner Straße aus den Häuserfenstern geklatscht und gepfiffen und laut „Danke!“ gerufen, jetzt schon den zweiten Tag (an dem ich das mitkriege). In Italien hat das begonnen, da haben seit der Ausgangssperre Leute angefangen, auf den Hinterhofbalkonen zusammen zu singen, oder jemand hat ein  Instrument gespielt, und die anderen haben zugehört. Die Medien haben schnell davon berichtet, alle waren hin und weg angesichts des solidarischen Gemeinschaftsgefühls, das sich da zeigt, und irgendwie ist es ja auch rührend. In Köln, wo sich ja jeder noch frei bewegen kann, klatscht man aus den Fenstern auf die Straße hinaus, um sich beim Krankenhauspersonal zu bedanken. Die, die sich in den Krankenhäusern aufgrund der schon seit Jahren verfehlten Personalpolitik des deutschen Gesundheitswesens den Arsch aufreißen, sind aber gar nicht da – entweder sie sind im Krankenhaus bei der Arbeit, oder sie liegen zu Hause im Bett und möchten bestimmt nicht durch johlende Klatscher gestört werden. Schon interessant, wie innerhalb kürzester Zeit aus einer guten Aktion in Italien ein kitschiges Selbstrührungsritual geworden ist. Interessant – und abstoßend.

Die Heilige Corona ist übrigens eine 16-jährige Märtyrerin aus dem 3. Jahrhundert. Sie ist nicht nur die Schutzheilige im Fall von Seuchen, sondern auch in Geldangelegenheiten. Sie zu beschwören wirkt also vielleicht sogar doppelt. Doch Vorsicht: Vielleicht glaubt das Virus, es sei selbst gemeint.

9 Gedanken zu “Heilige Corona, hilf!

    1. Der Virus und das schöne Wetter, das paßt – gefühlsmäßig – irgendwie nicht zusammen. Und wenn man donn noch nichtmal jemanden kennt der betroffen ist … Ein fataler Irrtum. Ich hoffe, inzwischen hat es jeder mitgekriegt. Ich bin ganz fassungslos, wenn im TV immer noch junge Leute in ein Mikrophon sagen, sie hielten das alles für übertrieben.

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      1. Bei mir kommen gleich mehrere Sachen zusammen. An Rosenmontag hat sich meine 80jährige Mutter, die seit über 20 Jahren nach einem Schlaganfall im Rollstuhl sitzt, sich den Oberarm gebrochen, und ich war froh, sie am 2.3. in einer Kurzzeitpflege unterbringen zu können. Jetzt heißt es Besuche im Pflegeheim sind gestrichen, und sie darf noch bis Ostern dort bleiben.

        Dann habe ich immer noch keine Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, bestellt ist die Technik schon, aber ob das nächste Woche klappt, steht in den Sternen. Und so viele Überstunden, die ich abfeiern könnte, habe ich dann auch nicht mehr – da kämen höchstens 6 Tage zusammen.

        Die ganzen Leute, die sich jetzt noch zusammenrotten, sollte man kollektiv einsammeln und in Quarantäne stecken.

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        1. Verstehe – man hat Mühe, alles geregelt zu kriegen, und dann sorgen andere dafür, daß die Situation noch schlimmer wird, da kann man schon mal sauer werden. Ich vermute, es wird bald bundesweit eine Situation wie in Bayern geben: Eine Ausgangseinschränkung, also kein Aufenthalt mehr für Gruppen über drei Leute in der Öffentlichkeit, es sei denn, es handelt sich um Familien. In Köln dürfen schon seit heute nicht mehr als zwei Personen zusammenstehen, aber die Wohnung verlassen darf man schon noch. Das halte ich für eine gute Regelung.

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          1. Mit deinem ersten Satz hast Du geanu das beschrieben was ich denke, nur dass ich nicht wütend, sondern eher gedrückter Stimmung bin. So wie in Köln es gehandhabt wird, finde ich es vernünftig. Damit könnte ich leben.

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  1. Ein sehr guter Blogeintrag, humorvoll, aber nicht hämisch, kritisch, aber nicht belehrend, ernst, aber nicht verzweifelt.

    Ich sitze hier sowieso immer in meiner Klause, für mich ist die größte Veränderung, daß ich ein Kind habe, daß eigentlich jetzt ihr Abi machen sollte, aber nun da steht und nicht weiß, wann und wie und ob überhaupt. Blöd. Was für eine Situation.
    Und wer hat bei dem Streß den Kopf fürs Abi frei?

    Viele viele Fragen stellt man sich. Man hört Wodrag zu und denkt: Stimmt, irgendwas stimmt nicht, man hört Drosten zu und denkt: Ja, klingt alles sehr nachvollziehbar, aber am Ende weiß man nix. Und das ist eigentlich das unangenehmste daran.

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    1. Man weiß noch nichtmal, ob man es nun schon hatte oder nicht. In dieser Woche hatte ich drei Tage lang bohrende Kopfschmerzen, habe ich sonst so gut wie nie. War das jetzt schon das Virus? Kann sein, kann nicht sein – man weiß gar nichts.

      Ja, wirklich blöd. Irgendeine Politikerin wurde neulich gefragt, ob man nun etwas nachsichtiger sei in der Beurteilung der Abiturienten, was diese strikt verneinte. Klar, das muß sie sagen. Aber ich kann mir kaum vorstellen, daß die Lehrer das nicht auch im Kopf haben, unter welcher Belastung die SchülerInnen stehen. Gibt’s noch keine neuen Termine bei euch? Ich meine, in anderen Bundesländern hätten sie welche bestimmt, aber auch die sind, je nach Entwicklung, vermutlich nur vorläufig.

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  2. gestern am mittag wurde der sender n-tv eingeschaltet.
    es gab eine pressekonferenz des niedersächsischen innenministers.
    einer der journalisten fragte den innenmini ob er polizeikontrollen vorsehe angesichts der tatsache, dass abends in hannover die leute im dönerladen draussen sitzen.
    der innimini war darüber nicht begeistert und sagte, die polizei würde durch bereitschaftspolizei für streifenfahrten- und gänge aufgestockt.
    sollte sich der tage die gastronomie weiterhin nicht daran halten ab 18 uhr den laden zu schließen, könnte sich pistorius eine ausgangssperre vorstellen.
    schönen dank auch.
    ich denke an dich in k.

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    1. Wenn, dann hoffe ich auf eine moderate Ausgangssperre, also so eine, daß man als Einzelperson oder mit seinen Kindern wenigstens noch spazierengehen kann. Frische Luft und Bewegung, das kann doch nicht schaden, solange man sich nicht mit anderen trifft.

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